Letzte Woche kam ich ziemlich gefrustet von der Schule nach Hause und fragte mich: „Was machen wir hier eigentlich für einen Unsinn?“ Nur zur Klarstellung. Ich stehe in der Regel vor der Klasse und bin damit quasi ja sogar für diesen Unsinn mitverantwortlich.

Daher nahm ich ein Buch, welches auf meiner persönlichen Hitliste ganz oben steht, wenn es um Bildung geht. Ich hätte auch eine Flasche Wein trinken können, aber als Lehrer steht man sowieso schon im Generalverdacht Alkoholiker zu sein. Also holte ich mir meine tägliche Dosis Hoffnung und Zuversicht auf diesem Weg. Der Satz, der tatsächlich eine Besserung meines Seelenzustandes hervorrief, war folgender:

Die Zumutung an Lehrer, jeden einzelnen Schüler in einen fortwährenden, vergleichenden Bewertungszusammenhang zu stellen, ist ebenso untragbar, wie die Zumutung an unsere Schüler so etwas täglich über sich ergehen zu lassen.

Das Zitat ist von Richard David Precht aus seinem Buch “Anna, die Schule und der liebe Gott: Der Verrat des Bildungssystems an unseren Kindern

Das Problem mit den Noten

Was war nun aber der Auslöser meiner Frustration? Am besagten Tag hatte ich mit meinem Schulleiter eine kurze Diskussion. Es ging sehr allgemein um die Abfrage und Benotung von Schülerleistungen. Mein Standpunkt war, dass viele Aspekte, die eben gerade die Person des Schülers ausmachen, nicht von unserem Bewertungssystem erfasst werden. Lediglich ein paar willkürlich vor fast 200 Jahren ausgewählte Themenbereiche werden nach fast genauso willkürlich ausgewählten Bewertungskriterien gemessen. Aus Sicht des Schülers gibt es aber sehr viel mehr Ebenen der persönlichen Entwicklung.

Habe ich Interesse an einer bestimmten Thematik entwickelt? Habe ich mich aus eigner Motivation über einen längeren Zeitraum mit einem Thema beschäftigt? Habe ich ein selbstgestecktes schwieriges Ziel erreicht? Konnte ich Fehlschläge gut verarbeiten? Konnte ich eine interessante Idee umsetzen? Konnte ich einen Konflikt lösen?

Viele dieser Punkte kommen im aktuellen Bewertungssystem gar nicht zum Tragen. Es geht häufig nur darum, gelerntes Wissen wiederzugeben. Ganz selten geht es darum, dieses  Wissen im Hinblick auf ein übergeordnetes Ziel, gemeinsam mit anderen, kreativ und experimentell anzuwenden.

Das ist meines Erachtens aber keine Bildung. Zumindest keine nachhaltige. In Zukunft hat jeder mit einem Smartphone Zugriff auf eine unerschöpfliche Menge an Wissen. Wichtig wird sein, was man daraus macht. Wir sind bereits im Artikel: Lust auf Bildung, Zukunft und Gesellschaft – Was machen wir mit unseren Kindern? ausführlicher darauf eingegangen.

Auswendig lernen heißt nicht automatisch verstehen

Wenn jemand die ersten vier Zeilen von Goethes Faust „Vision einer zukünftigen Gesellschaft“ zitieren kann, dann ist das möglicherweise beeindruckend. Aber es ist noch lange kein Beweis für Bildung.

Wissen allein hat im Zeitalter von Google keinen Mehrwert mehr. Man muss dieses Wissen praktisch einsetzen. Und zwar nicht entlang fest vorgegebener Prozesse (das können Roboter in ein paar Jahren sowieso viel besser als wir) sondern agil und interativ. Oder auf Deutsch gesagt: mit Versuch und Irrtum. Theoretisch zu wissen, wie das Golfspiel funktioniert oder einen Ball mit einem Eisen 7 nach 150 m punktgenau landen zu lassen, ist nicht das gleiche. Das eine kann man auswendig lernen. Das andere muss man sich Schritt für Schritt erarbeiten.

Nun aber zu dem Punkt, der Frust bei mir auslöste. Mein aktueller Schulleiter ist einer der engagiertesten Menschen, die ich kenne. Ich zolle ihm einen riesengroßen Respekt. Er versucht die besten Bedingungen für gutes Lernen zu schaffen. Dieser Mann schaut mich an und sagt: „Das ist alles richtig, aber wenn wir uns nicht unterordnen bei der Benotung und Prüfungsordnung und bei der Schulentwicklung, dann streicht das Land uns die Mittel.“

Ja, was soll ich sagen. Das Totschlag-Argument. Derjenige, der das Orchester bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Aber was, wenn die Musik Mist ist und keiner sie hören will? Im normalen Leben würden alle nach Hause gehen und das Orchester würde nicht mehr lange existieren. Wir aber hören uns mit stoischer Folgsamkeit Tag für Tag die gleichen alten Stücke an, ohne Konsequenzen für die Musiker, das Orchester oder die Geldgeber.

Wollen wir Bürokratie oder Bildung? Was soll ich denn machen? Wenn ich mich nicht anpasse, dann gibt es Ärger.

Das trifft vermutlich gleichermaßen auf Schüler, Lehrer und Schulleiter zu. Schüler, weil sie schlechte Noten bekommen und damit ihre Chance auf einen guten Ausbildungsplatz verspielen. Lehrer, weil sie sonst mit Abmahnungen und anderen Ressentiments zu rechnen haben. Und nicht zuletzt die Schulleiter. Weil ein Schulleiter, welcher nicht gehorsam Vorgaben abarbeitet, vielleicht bald keiner mehr ist.

All diese Spielchen sind für alle beteiligten Parteien sehr unbefriedigend. Mir ist schon klar, dass etwas, was sich scheinbar seit Jahrhunderten bewährt hat, nicht einfach über den Haufen geworfen wird. Aber woher kommt diese Angst, einmal neue Ideen auszuprobieren. Gibt es tatsächlich noch Menschen in diesem Bildungssystem, die davon überzeugt sind, dass wir gerade alles richtig machen? Falls ihr tatsächlich solche Leute kennt, schickt ihnen gerne mal eine kurze Nachricht per Brieftaube, dass sie mir gerne mal ihre Begründung dafür rüberfaxen möchten.

Meiner Erfahrung nach sind Schüler und Lehrer völlig damit überfordert, die bürokratischen Regularien für die Kontrollsucht der Bildungsministerien abzuarbeiten und zu erfüllen.

  • Ist die Anwesenheitsliste ausgefüllt? Check.
  • Klassenbücher vorbereitet? Check.
  • Stundenthemen eingetragen? Check.
  • Jahresstoffverteilung ausgearbeitet und abgegeben? Check.
  • Fehlstunden wöchentlich erfasst? Check.
  • Noten eingetragen? Check.
  • (Ich habe doch eine Frist gegeben, warum wird diese nicht eingehalten?  Das passiert bitte nicht noch einmal.)
  • Zensuren Konferenzen. Check.
  • Prüfungskonferenzen. Check.
  • Klassenkonferenzen. Check.

Und hier wird es problematisch. Neben all diesen Abcheck-Aktivitäten haben Lehrer nämlich auch noch ihre Kernaufgabe zu erfüllen. Sie sollen die Kinder auf deren Zukunft vorbereiten. Das geht am Besten indem sie Potenziale erkennen und diese dann fördern.

Harlows Affen

Ein Lehrer gibt im Schnitt 27 Fachunterrichtsstunden in der Woche. Mindestens 10 weitere Wochenstunden müssen für Bürokratie, Kontrollen und Benotungen von vorgeschriebenen Lernerfolgskontrollen eingerechnet werden, damit am Ende genug Zensuren im Notenbuch stehen. Das ist Zeit, die für die persönliche Weiterentwicklung der Schüler nicht bereitsteht. Wenn aber die Schüler nichts davon haben, warum macht man das überhaupt? Ich für meinen Teil fühle mich regelmäßig wie einer der fünf Affen aus dem Harlows Experiment.

 

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https://www.youtube.com/watch?v=D0UHGrentU8

 

In der modernen Wirtschaft halten Agilität, Nutzerzentrierung, Kollaboration, Innovation, Selbstorganisation und laterale Führung Einzug. Wenn Sie aus dem Bildungsbereich kommen, sind die Chancen, dass Sie diese Begriffe schon gehört geschweige denn angewendet haben, verschwindend gering. Und das ist schade. Denn eigentlich sollen Sie die Schüler auf genau das vorbereiten.

Vision für ein neues Betriebssystem

Warnung: Der Inhalt der nächsten Zeilen kann starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Bei Risiken und Nebenwirkungen gehen Sie nicht zu Ihrem Bildungsministerium.

Alle Kinder haben sich schon vor ihrer allerersten Schulstunde ohne uns kluge Lehrer wesentliche Fähigkeiten, wie z.B. Sprechen und Laufen beigebracht. Wie ist das möglich? Kinder haben offensichtlich einen Instinkt dafür, was sie lernen wollen. Warum müssen wir diese wunderbare Eigenschaft in der Schule kurz und klein hauen, statt sie zu hegen und zu pflegen. Gäbe es vielleicht eine Möglichkeit unser Bildungssystem – sagen wir mal – kinderfreundlicher zu gestalten?

Stellen wir uns am Anfang doch einmal die Frage, die meines Erachtens in der gesamten Bildungsdiskussion viel zu selten ernsthaft gestellt wird: Was wollen wir eigentlich erreichen?

Wollen wir, dass die Menschen nach 10-13 Jahren Schulbank den Erlkönig rezitieren können, eine schöne Handschrift haben und die Hauptstädte aller deutschen Nachbarländer aus dem Kopf aufsagen?

Oder wollen wir Menschen dazu befähigen, unsere komplexe Gesellschaft zu verstehen. Nachhaltig und weltoffen zu denken und zu leben. Sich mit den Folgen der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Flexibel und agil zu agieren. Und sich kontinuierliche selber weiterzubilden, um die immer rapideren Veränderungen positiv zu nutzen, anstatt sich vor ihnen zu fürchten?

Sie haben es womöglich erraten: ich plädiere für Variante B.

Und das Schöne daran ist. Die meisten Kinder und Jugendlichen sind problemlos dazu in der Lage. Im Manager-Modus von FIFA18 haben sie die Zahlen besser im Griff als die gesamte Führungsriege beim HSV. Dank Civilization kennen sie sich besser mit den technologischen Entwicklungen von der Steinzeit bis in die Nahe Zukunft aus als die meisten Geschichtslehrer. Und über Youtube und Facebook sammeln sie Kontakte in der ganzen Welt und lernen dabei gleich noch 1-2 weitere Sprachen.

Inwiefern diese Fähigkeiten auf die Zukunft vorbereiten sei dahin gestellt. Aber es zeigt, dass das Problem unseres Bildungssystems nicht die schwierigen Inhalte oder die fehlende Potenziale unsere Kinder sind. Das größte Problem ist die intrinsische Motivation. Alle Kinder lernen gerne, wenn sie damit ein konkretes, selbstgewähltes Ziel erreichen können.

L.I.K.E.

Die Idee, die wir hier vorstellen möchten, ist nicht neu und auch nicht einzigartig. Aber in der von uns angestrebten Konsequenz wurde sie zumindest in Deutschland noch nicht umgesetzt. (Wenn wir uns irren, bitte informiert uns. Wir sind an jeder Art von Austausch interessiert).

Die These, der unsere Idee zugrunde liegt, ist:

Es gibt bessere Wege Kinder zu motivieren und den Entwicklungsstand vergleichbar zu machen, als das aktuelle Benotungssystem. Click To Tweet

Was wäre also, wenn wir die Lernenden in den Fokus rücken. Wenn wir neue Spielregeln festlegten? Eine Bildungsreform, die diesen Namen auch wirklich verdient. Die Levelbasierte, Individuelle Kompetenz-Entwicklung (L.I.K.E.)

Der Kern dieser Idee ist es, dass jeder einzelne die Möglichkeit erhält, im eigenen Tempo die eigenen Stärken gemäß der eigenen Vorlieben und Interessen auszubauen. Wir müssen nicht mehr alle Schüler auf Gedeih und Verderb durch das gleiche System schleusen in der Hoffnung dabei, möglichst wenig Schaden anzurichten. Die Digitalisierung ermöglicht es uns ohne höhere Kosten individuell auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen. Dafür wäre aber ein radikales Umdenken notwendig.

Weg vom einheitlichen Benotungsstandards hin zu einem auf Gamification beruhenden Levelsystem.

Das Spiel des Lebens

Stellen wir uns vor, dass es für die Bewertung aller Kompetenzen und Fähigkeiten, die für Wirtschaft UND Gesellschaft relevant sind, verschiedene Ausprägungen gibt. Und zwar nicht nur jeweils sechs Notenstufen pro Unterrichtsfach, sondern tatsächlich eine nach oben offene Skala für jede Fähigkeit. Diese Fähigkeiten werden nicht allein definiert von der Politik, sondern von den Arbeitgebern und Vertretern der Gesellschaft. Für ein Agrarunternehemen könnten beispielsweise Biologie, Meteorologie, Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaft und Verlässlichkeit essenzielle Fähigkeiten sein. Während das kleine Design-Startup eher nach Leuten mit guten Fähigkeiten in den Bereichen Mathematik, 3D-Modellierung, Mediendesign, English und Teamwork sucht.

Statt die Leute nun jahrelang mit standardisiertem, theoretischen Wissen vollzustopfen, in der Hoffnung, dass ein paar der für Arbeitgeber relevanten Fähigkeiten hängenbleiben, erhält jeder Mensch ab dem sechsten Lebensjahr ein individuelles Bildungskonto, in dem die eigenen Fähigkeiten dokumentiert werden.  Es ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht festgeschrieben, welche Fähigkeiten man im Laufe seines Lebens (ja seines gesamten Lebens und nicht nur bis zum 18. Lebensjahr) erwirbt. Im Jahr 2018 ist überhaupt noch nicht abzusehen, welche Kompetenzen im Jahr 2038 benötigt werden. Das System muss daher möglichst flexibel bleiben.

Mit sechs Jahren startet man also mit einem leeren Blatt Papier. Und über die Jahre hinweg kann man dieses Blatt füllen. Indem man für die selbstgewählten Kompetenzen das jeweils nächste Level erreicht.

Next Level Mathematik

Gehen wir zum Beispiel davon aus, dass der Großteil aller Organisationen von potenziellen Bewerbern verlangt, dass sie die Grundrechenarten beherrschen, eine Grundausbildung in Geometrie haben und Prozentrechnung und Wahrscheinlichkeitsrechnung anwenden können. Diese Fähigkeiten entsprechen Mathematik Level 20. Das würde bedeuten, dass alle Kinder bis zum Eintritt in den Arbeitsmarkt das Level 20 in Mathematik erreicht haben sollten. Jemand, der im Design-Startup oder bei einem Automobilhersteller oder bei einer Bank (oh, blödes Beispiel, Banken gibt es wahrscheinlich nicht mehr) anfangen möchte, muss sich vielleicht darüber hinaus mit Kurvendiskussion, Pi und dem Zinssystem auskennen und braucht entsprechend mindestens Level 50. Für einen Job als Raketenwissenschaftler braucht man sich ab Level 80 bewerben. Es ist durchaus möglich, dass man das erst erreicht, wenn man die 30 überschritten hat.

Da sind wir aber gleich beim nächsten spannenden Aspekt. Es gibt keine zeitliche Einschränkung, wann jemand ein bestimmtes Level erreicht haben muss. Die einen haben von Anfang an großen Spaß an Mathematik und sind bereits mit 14 Jahren in Level 50. Andere lassen sich Zeit bis 18 um Level 20 in Mathematik dann in einem 4-wöchigen Intensivkurs anzugehen.

Für das Erreichen eines Levels gibt es klare Definitionen. Wie in einem Computerspiel. Level 1 in Mathematik ist beispielsweise die Fähigkeit Zahlen bis 100 addieren und subtrahieren zu können. Diese Fähigkeit wird in einem standardisierten Test digital abgefragt. Es gibt hier keine Abstufung (sehr gut, gut, befriedigend, Volltrottel). Es gibt lediglich bestanden oder nicht bestanden. Wenn man den Test nicht besteht, ist das kein Problem. Man kann ihn einfach am nächsten Tag wiederholen. So oft, bis man es geschafft hat.

Es gibt also keine Bestrafungen. Es gibt keine schlechten Leistungen. Keinen Notendruck. Es gibt lediglich das Ziel, ins nächste Level zu kommen. Und um das zu schaffen, gibt es eine Vielzahl von Hilfsmitteln. Bücher, Apps, Online-Kurse und natürlich die Lehrer. Die Kinder können sich die Hilfe suchen, die sie benötigen. Die einzig begrenzte Ressource in diesem System sind die Lehrer. Da sie jedoch von einem Großteil der Bürokratie befreit sind (keine Testkonzeptionen, keine Korrekturen, keine Zeugnisse schreiben), können sie sich voll und ganz darauf konzentrieren, ihre Schüler individuell bei der effektiven Nutzung der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zu unterstützen.

Abschaffung der Schulfächer

Generell glaube ich nicht, dass die Einteilung in Fächer beim Lernen tatsächlich hilfreich ist. Nur selten begegnen uns im Alltag die Fächer isoliert voneinander. Um zum Beispiel den wöchentlichen Einkauf einigermaßen unfallfrei über die Bühne zu bringen, sollte man zumindest ein paar Grundkenntnisse in Biologie, Ernährung, Mathematik und Kommunikation haben. Im aktuellen Fächersystem hingegen werden meist recht lebensfremde Situationen konstruiert, um die praktische Anwendbarkeit von einzelnen Aufgaben zu rechtfertigen.

Alternativ könnte man basierend auf dem Levelsystem umfangreichere Projekte von den Schülern umsetzen lassen. Die Konstruktion eines einfachen Roboters gemeinsam mit anderen Schülern könnte dazu führen, dass die Schüler ihre Fähigkeiten in den Bereichen Mathematik, Physik, Teamwork und Englisch auf das nächste Level weiterentwickeln.

Kann man so ein altbewährtes System wie Schulfächer einfach mir nichts dir nichts auflösen und einfach so auf Projektarbeit umsteigen. Haben wir überhaupt Fachkräfte, die dafür ausgebildet sind? Gibt das der Rahmenlehrplan eigentlich her? Keine Ahnung. Ich weiß nur, in Finnland wird es ab 2020 so umgesetzt. Na gut, auf Platz 1 im PISA-Ranking kann man sich solche Experimente anscheinend leisten.

Welche Rolle spielen die Lehrkräfte?

Angenommen, die Schüler hätten freien Zugang zu allen Lernmaterialien, die notwendig sind um ein bestimmtes Level in einer bestimmten Kompetenz zu erreichen. Es handelt sich dabei um klassische Lehrbücher, kurze Youtube-Anleitungen, Lehrvideos, Infografiken, Podcasts, Online-Kurse und Lehr-Apps. Sie glauben nicht, dass man jemandem zum Beispiel den Satz des Pythagoras in 2 1/2 Minuten bei Youtube beibringen könnte? Fast eine halbe Million Schüler sieht das anscheinend anders:

 

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https://youtube.com/watch?v=lZpDWoQwf6E

 

Nicht wenige sind sogar überzeugt, dass Youtube das besser hinkriegt als ihre Lehrer:

Und trotzdem wird dies nicht dazu führen, dass die Schüler nun alle plötzlich hochmotiviert von Level zu Level springen. Das heißt es müssen Angebote zur Verfügung gestellt werden, die in erster Linie die Motivation der Schüler wecken. Das können konkrete Projekte sein, die von Lehrkräften durchgeführt werden. Das können Fragestunden sein. Oder Gruppenarbeit. Oder Coaching.

Die besten Tipps und Tricks für Mathematik Level 17. Donnerstag, von 11:00 bis 12:00 bei Frau Müller-Riebenseel. Die Teilnahme ist freiwillig.

Die pädagogische Leistung wandelt sich von der reinen Wissensvermittlung dahin, dass man Schüler motiviert, sich selbst Wissen anzueignen, zu experimentieren, Fehler zu machen und ihre Erkenntnisse mit anderen Schülern zu teilen. Diese Konzept kann sich bis zu eine Punkt entwickeln, an dem Schüler mit einem hohen Level andere Schüler bei ihren Aufgaben unterstützen. Schüler würden also nicht mehr ausschließlich an ihren eigenen Leistungen gemessen, sondern auch an ihrem Mehrwert für die gesamte Gemeinschaft.

Ich kann darin keinen Fehler erkennen. Denn interessanterweise sind dies genau die Kompetenzen, die in der digitalen Arbeitswelt von morgen benötigt werden. Da heißt es Neudeutsch Digital Leadership und ist der Gegenentwurf zum klassischen Management, wo allen Angestellten vorgeschrieben wird, was und wie sie zu arbeiten haben. Einen guten Überblick vermittelt Sebastian Hollmann in seinem Artikel: DIGITAL LEADERSHIP – WIE FUNKTIONIERT UND WAS BRAUCHT FÜHRUNG IM DIGITALEN ZEITALTER?

Die Nerdification unserer Jugend

Nein, dieses Modell führt nicht automatisch dazu, dass die Kinder von morgens bis abends am Computer sitzen um ihre Hausaufgaben zu bearbeiten und soziale verkümmern. Ganz im Gegenteil. Umfangreiche Studien mit drei- bis fünfjährigen unter anderem auch in Entwicklungsländern haben gezeigt, dass der Einsatz von Tablets die Lernergebnisse signifikant verbessert. Ein Vorreiter dieser Entwicklung ist das Berliner Social Startup EIDU.

Die Kinder lernen von Anfang an den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien. Denn – da machen wir uns mal nichts vor – kein Kind, welches heutzutage behauptet, dass es das iPad nur für die Hausaufgaben benötigt, meint das ernst. L.I.K.E. würde dazu führen, dass Kinder die digitalen Medien tatsächlich auch zu einem Großteil für die eigene Bildung nutzen. Diese Fähigkeit werden sie so schnell nicht verlieren.

Darüber hinaus wird es genügend Aufgaben und Tätigkeiten geben, die sich allein am iPad nicht lösen lassen. Geh ins Museum. Bereite ein Gericht zu. Mach einen Ausflug ins Museum. Baut eine Rakete, die 50 Meter in die Luft fliegt. Stellt Kleidung selber her.

Es gibt so viel mehr Möglichkeiten der (Aus-)Bildung als nur die Frontalbeschallung durch eine Lehrkraft und den Blick auf die gute alte Tafel, das Sideboard, den Projektor oder die Leinwand. Zugang zu fremden Sprachen, Kulturen, Ideen und Werten sind nun dank der Digitalisierung jederzeit für jedermann verfügbar. Genutzt wird das eher selten. In das aktuelle Fächersystem passt es irgendwie nicht so richtig rein.

Levelzentren?

Na schön. Angenommen, man könnte tatsächlich für eine Vielzahl von Kompetenzen die Anforderungen für die verschiedenen Level definieren. Und angenommen, es wäre wirklich möglich Kinder dazu zu motivieren, sich selbst Wissen anzueigenen. Und angenommen man könnte tatsächlich ein Lehrkonzept entwicklen, welches eine levelbasierte, individuelle Kompetenz-Entwicklung innerhalb der Vorgaben des Rahmenlehrplans ermöglicht. Und angenommen, man fände tatsächlich Lehrer, die diesen Spaß tatsächlich mitmachen.

Aber wie zum Kuckuck führt man denn die Bewertung durch? Man kann doch nicht für jeden Schüler, der ein Level absolvieren möchte, eine Privataudienz einberufen! Das läuft so nicht.

Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Die erste Antwort hat mit Blockchain, IOTA, Tangle und Smart Contracts zu tun und würde den Rahmen diese Blogartikels sprengen. Aber wir versprechen, wir liefern das nach.

Die zweite Antwort ist etwas einfacher zu erklären, bedarf in der Umsetzung aber einiger struktureller Veränderungen.

Flächendeckend werden LIKE-Zentren eingerichtet, die beispielsweise vom Bildungsministerium betrieben werden. Hier können Schüler ihre Level bestätigen lassen. Die Schüler bestimmen ihren Lern-Rhythmus, die Prüfungstermine und ihre Themengebiete selber. Die Schüler können ihre Prüfungen so oft wiederholen wie sie wollen. Es gibt keine schlechten Bewertungen. Es gibt nur Level geschafft oder Level noch nicht geschafft. Auf diese Weise können die einen zum nächsten Level rasen, wohingegen andere sich mehr Zeit lassen.

Experimentieren und anpassen

Ist das nun also das Schulsystem von morgen? Die Bildungsrevolution? Was weiß denn ich? Niemand kann das sagen, bevor es nicht getestet wurde. Ich weiß lediglich, dass die meisten der hier vorgestellten Ideen nicht neu sind. Die meisten wurden in irgendeiner Form schon mit vielversprechenden Ergebnissen ausprobiert. Viele Menschen beschäftigen sich mit Digitalisierung, sozialen Medien und Disruption in der Bildung. Wen es interessiert, kann gerne mal bei den Bildungspunks vorbeischauen. Neu ist aber vermutlich die konsequente Kombination all dieser Ideen im Hinblick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Arbeitswelt von morgen.

Wenn wir das Bildungssystem zukunftsfähig gestalten wollen, anstatt nur hier und da ein paar Sichtschütze vor den großen Baustellen zu platzieren, dann müssen wir Experimente wagen und in Kauf nehmen, dass einige davon scheitern. Click To Tweet

Und genau das wollen wir tun. Wenn Sie also Interesse daran haben, dieses Konzept weiterzuentwickeln und eigene Ideen einzubringen. Oder wenn Sie konkrete Beispiele denen, die in eine ähnliche Richtung gehen, dann wenden Sie sich an uns. Wir stehen vielleicht noch am Anfang, aber wir sind bereit, diesen Weg zu gehen.

 

Revolution im Bildungssystem – Levelbasierte, individuelle Kompetenz-Entwicklung
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