Gerade erst habe ich verschiedene interessante Gedanken zum Thema Feedbackgespräch für Mitarbeiter in unterschiedlichen Zusammenhängen gehört und gelesen und schon kommt die passende Blogparade initiert von Sarah Biendarra um die Ecke gerollt. Das trifft sich super. Weil ich persönlich mittlerweile der Meinung bin, dass ein strukturiertes Feedbackgespräch Mitarbeiter nicht weiterbringt. Denn: das, was heute so alles als Feedbackkultur gefeiert wird, braucht meines Erachtens kein Mensch.
Feedbackgespräch für Mitarbeiter
Ich bin seit zehn Jahren fast durchgängig in irgendwelchen Führungspositionen tätig. Ich tue mir ein bisschen schwer, das so zu schreiben. Führungskräfte sind (zumindest in meiner Filterblase) heutzutage ja eher die Rückständigen, die keiner leiden kann. Aber um meine Gedanken einzuordnen, ist diese Info wohl ganz hilfreich.
Als Führungskraft wurde zumindest ich relativ selten offen oder spontan kritisie… äh… gefeedbackt. Zumindest im Berufsleben. Zu hause passiert das öfter. Da wird auf Hierarchie, Erfahrung oder persönliche Autorität wenig Rücksicht genommen, wenn zum Beispiel die festgelegten Ins-Bett-Geh-Zeiten nicht in das Weltbild einer übermüdeten Dreijährigen passen. Und dann muss man sich etwas einfallen lassen.
Dass strukturierte Entwicklungsgespräche und das jährlich 360-Grad-Feedback in diesem Rahmen wenig hilfreich sind, brauch ich nicht extra erwähnen. Dass ich solchen Prozessen im Berufsleben aber mittlerweile ebensowenig abgewinnen kann, muss möglicherweise etwas genauer erklärt werden.
Beinahe selbstverständlich wird in Zeiten von Digital Leadership insbesondere dem Thema Feedbackkultur eine ganz besondere Bedeutung beigemessen. Ich selbst bin lange Zeit mit erhobenem Zeigefinger vorneweg gerannt und habe fleißig konspiriert, wie man die Mitarbeiter durch ausgeklügelte Feedbackprozesse noch besser bei ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen könnte.
Wir brauchen mehr strukturiertes Feedback und von allen Seiten. Und es muss einfach sein. Und wir brauchen die richtigen Tools. Und es muss wertschätzend sein. Und es muss hilfreich sein. Und es muss den Feedbackempfänger voranbringen. Und es muss die Organisation voranbringen. Und wir müssen den Leuten beibringen, wie man richtig Feedback gibt. Und dann… Dann haben wir keine Zeit mehr für irgendetwas anderes.
Also. Wie heißt es so schön. Treten wir mal einen Schritt zurück: Warum genau brauchen wir nochmal Feedback? Die standardmäßige Antwort auf diese Frage lautet wohl ungefähr so:
Wir wollen eine umfangreichen, transparenten und wertschätzenden Feedbackkultur, damit unsere Mitarbeiter sich weiterentwickeln und die Qualität unserer Projektergebnisse kontinuierlich steigt.
Das klingt recht solide. Man vereinbart mit den Mitarbeitern langfristige Entwicklungsziele und dann bewertet man sie nach eigenen Maßstäben in regelmäßigen Abständen gemessen an diesen Entwicklungszielen in Form von strukturierten Feedbackprozessen. Und dann werden wir alle zusammen immer besser und besser.
Das wichtigste Feedback ist Kundenfeedback
Ehrlich? Haben wir nicht gerade gelernt, dass die Welt immer agiler wird. Dass sich die Rahmenbedingungen für Projekte und die damit verbundenen Ziele und Maßnahmen ständig ändern. Wenn man aber die kommenden Projekte noch gar nicht kennt, wie kann man dann festlegen, welche konkreten Entwicklungsschritte für jeden einzelnen Mitarbeiter notwendig sind, um diese unbekannten Projekte bestmöglich zu bearbeiten? Muss man einem Mitarbeiter tatsächlich regelmäßig Feedback dazu geben, dass und wo er sich weiterentwickeln muss und in welcher Form? Müssen wir die richtigen Prozesse, Strukturen und Tools aufsetzen? Brauchen wir tatsächlich eine App? Muss jeder jedem Mitarbeiter in festgelegten Abständen die Meinung sagen? Ist das noch New Work?
Ich halte es für absolut wichtig herauszufinden, ob wir unseren Kunden gegenüber unser Verkaufsversprechen eingehalten haben. Da findet unsere Wertschöpfung statt. Das heißt wir brauchen natürlich Mittel und Wege um eine Bewertung unsere Leistung – quasi ein Feedback – vom Kunden einzuholen. Sei es direkt oder indirekt. Wenn wir diese Rückmeldung haben, können wir daraus Schlüsse für unser künftiges Wertversprechen und für unsere Zusammenarbeit ziehen. Welche Verhaltensweisen wollen wir ausbauen, welche beibehalten und welche abschalten. Alles weitere können wir davon ableiten.
Die Preisfrage lautet daher: Reicht das nicht als Indikator? Brauchen wir nun trotzdem noch Entwicklungsziele, Performance Reviews und ein strukturiertes Feedbackgespräch um unsere Mitarbeiter weiterzuentwickeln?
Meiner Meinung nach ist das Gegenteil der Fall.
Selbst wenn wir strukturiertes Feedback und Zielvereinbarungen verbieten würden, könnten wir in unserem Umfeld eine persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter nicht verhindern.
Ich möchte keinesfalls behaupten, dass Feedback per se unnötig ist. Aber dennoch drängen sich mir die folgenden Hypothesen auf:
- Ein strukturierter Feedbackprozess hat wenig bis gar keinen Einfluss darauf, ob und wie ein Mitarbeiter sich weiterentwickelt
- Es muss nicht aktiv regelmäßiges, persönliches Feedback gegeben werden, um bessere Projektergebnisse zu erzielen.
- Wenn persönliche Probleme auftreten, dann sollte analysiert werden, wen diese Probleme warum betreffen, um diese dann gezielt anzugehen.
Wer braucht eigentlich Feedback
Um einen möglichst sinnvollen Umgang mit Feedback zu etablieren, hilft es sich zu fragen, wer überhaupt Interesse an Feedbackprozessen haben könnte. Einfach gesagt sind das: Feedback-Geber, Feedback-Nehmer und die Organisation.
Feedback-Geber:
Der Feedback-Geber hat in der Regel nur genau einen Grund Feedback zu geben. Er ist mit irgendeinem Aspekt der Zusammenarbeit nicht zufrieden (natürlich gibt es auch das Bedürfnis zu loben, aber das würde ich an dieser Stelle vernachlässigen, da ein Lob dem Feedback-Geber wenn überhaupt nur indirekt weiterhilft). Die Unzufriedenheit kann verschiedene Ursachen haben: Entweder ist die Wertschöpfung an sich gefährdet, weil es in irgendeiner Form qualitative Probleme gibt. Oder der Feedback-Geber ist mit der persönlichen Zusammenarbeit unzufrieden. In beiden Fällen lässt sich nicht vorhersehen, wann genau der Bedarf für ein Feedback dieser Art eintreten wird. Das kann morgen passieren. Nächste Woche. Oder niemals. Strukturierte Feedbackmaßnahmen (egal ob jährlich oder monatlich) sind für den Feedback-Geber also wenn überhaupt nur zufällig hilfreich.
Aus meiner Erfahrung braucht man als Feedback-Geber also keine zeitlich fixierten Prozesse, über die ein strukturiertes Feedback eingeholt wird, unabhängig davon, ob es aktuell Bedarf gibt oder nicht. Stattdessen braucht es eher allgemein anerkannte Kommunikationskanäle, die genau dann offen stehen, wenn konkrete Probleme auftauchen und geklärt werden müssen.
Feedback-Nehmer
Feedback-Nehmer haben ein Interesse an Wertschätzung. Sie möchten erfahren, ob ihre Leistung, den gewünschten Effekt erzielt hat. Dafür braucht es keine Feedbackprozesse. Dafür braucht es klar formulierte Projektziele und eine transparente, nachvollziehbare Messung der Ergebnisse. Der Projekterfolg kann daher eigentlich nur am Kundenfeedback gemessen werden. Letztendlich bewertet nämlich der Kunde, ob die gewünschte Wertschöpfung tatsächlich erbracht wurde. In Form von Käufen, Vertragsverlängerungen oder Weiterempfehlungen. Die Kollegen können das Projekt in den Himmel loben. Aber nur wenn der Kunde zufrieden ist, war es wirklich erfolgreich. In so einem Fall wäre es also vermutlich sehr viel hilfreicher, das Kundenfeedback zu analysieren um gemeinsam Verbesserungspotenziale herauszuarbeiten, als sich unmotiviert (im Sinne von nicht durch einen konkreten Anlass ausgelöst) auf Knopfdruck gegenseitig Feedback zu geben.
Darüber hinaus gibt es natürlich immer den Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung. Aber aus meiner Erfahrung würde ich behaupten:
Es ist (zumindest in der agilen Projektarbeit) für die meisten Projektbeteiligten unmöglich, eine konkrete Bewertung der Arbeitsleistung, in der Art vorzunehmen, dass sich daraus nachhaltige Weiterentwicklungspotenziale ergeben.
Bei jedem neuen Design, jeder neuen Business-Idee, jeder neuen Zeile Code, kann niemand die zu erwartenden Kundenresonanz verlässlich vorhersagen, bis sie nicht getestet wurde. Man kann seine eigenen Erfahrungen teilen. Man kann sich an Fallbeispielen orientieren. Man kann den Mitarbeitern persönliche Weiterbildung ermöglichen. Man kann den Austausch mit anderen Mitarbeitern befördern. Man kann gute Frage stellen. Aber meines Erachtens kann man durch eine strukturiertes Feedbackgespräch Mitarbeiter nicht weiterentwickeln.
- “Achte bitte in Zukunft darauf, dass du bei allen Buttons die Ecken abrundest!”
- “Zu den Kundenterminen zieh bitte in Zukunft keine Kapuzenpullis an!”
- “Sei in der Kommunikation mit deinem Team nicht immer so sarkastisch!”
Diese Aussagen können Erfahrungswerte aus eigenen Projekten widerspiegeln. Aber kann ein Feedback-Geber wirklich sicherstellen, dass solche Hinweise auch für alle kommenden Projekte gültig sind und daher zur persönlichen Weiterentwicklung beitragen? Das ist eine Illusion.
Stattdessen können achtsame Mitarbeiter sich ihr Feedback mit der richtigen Grundeinstellung ganz unaufwendig jederzeit selbst einholen. Wie das funktioniert beschreibt Bianka Groenewolt in ihrem Blogbeitrag: Über Kritik und Feedback – das eine bringt dich kein bisschen weiter, das andere bringt dich wohin du willst.
Die Organisation
Ja klar. Es ist natürlich gerade voll im Trend als Unternehmen eine gute Feedbackkultur zu haben. Aus irgendeinem Grund wird gutes Feedback in diesem Zusammenhang gerne gleichgesetzt mit viel Feedback. Es muss dauerhaft, von allen Seiten und in alle Richtungen gefeedbackt werden. Transparent und Anonym. Projektbezogen. Auf die persönlichen Ziele reflektiert. Nach oben, nach unten und zur Seite. Im 1-on-1 oder im Stuhlkreis.
Aber mal ganz ehrlich: Warum? Was hat das Unternehmen davon? Eine Menge Stress. Eine Menge Unsicherheit. Viel Aufwand und im Zweifelsfall auch noch Probleme mit dem Datenschutzbeauftragten oder dem Betriebsrat. Und darüber hinaus? Verdient das Unternehmen durch viel Feedback auch nur einen Cent mehr?
Also nochmal: Ein Unternehmen möchte in erster Linie erfolgreich sein. Dafür braucht es zufriedene Kunden. Und für zufriedene Kunden braucht es motivierte Mitarbeiter, die sich möglichst effektiv um die Bedürfnisse dieser Kunden kümmern können. Und um dies zu tun, brauchen sie keine bonusrelevanten Entwicklungsziele. Und keine regelmäßigen Feedbackgespäche. Und kein Performance Management. Und keinen per App gemessenen Unternehmenspuls. Dafür brauchen sie stattdessen Zugang zu allen wichtigen Informationen, Vertrauen ins Projektteam, möglichst wenig Extraaufwand durch interne Prozesse und idealerweise ein paar gute Soft Skills.
Menschen, die gemeinsame Ziele haben und sich gegenseitig vertrauen, brauchen keine Prozesse um miteinander zu reden. Ein Beispiel dafür liefert Tobias Leisgang sehr anschaulich in seinem Artikel „F wie Feedback und Fledermaus“.
Bringt eine strukturiertes Feedbackgespräch Mitarbeiter also wirklich weiter?
Wir brauchen eine bessere Feedbackkultur. Die Mitarbeiter müssen sich weiterentwickeln. Performance Management ist der Grundstein zum Erfolg. An all das glaube ich nicht (mehr). Zumindest nicht wenn es in einem Atemzug mit Agilität verwendet wird. Ardalan Ibrahim hat es sehr schön ausgedrückt mit den Worten: „Sobald von Feedback geredet wird, lauft weg!“
Fragt euch, womit Euer Unternehmen Wert schöpft. Konzentriert euch darauf. Messt ob ihr den versprochenen Mehrwert tatsächlich geliefert habt. Wenn ja, dann teilt diese Ergebnisse mit allen Beteiligten. Wenn nein, dann prüft gemeinsam, woran es gelegen hat und was man als Team beim nächsten Mal anders machen sollte. Wenn Mitarbeiter konkrete Probleme miteinander haben, dann schafft einen Rahmen, in dem diese Probleme ungeachtet der Hierarchiestufen aus der Welt geschafft werden können. Und darüber hinaus, redet miteinander. Fragt, wie es euch geht. Und zwar nicht auf der Treppe sondern in entspannter Atmosphäre beim Mittagessen. Und schmeißt diese ganzen persönlichen Weiterentwicklungsprozesse, die bonusrelevanten Ziele, die 360-Grad-Feedbacks, die Apps, die Kulturbarometer und die seitenlangen Reviews einfach aus dem Fenster.
Wenn euer Unternehmen danach einen signifikanten Performanceeinbruch hat, schaut zuerst ob vielleicht gerade Ferien sind, schlechtes Wetter herrscht, sich eine Finanzkrise anbahnt oder irgendein anderer beeinflussender Faktor aufgekommen ist. Und wenn nicht. Wenn ihr wirklich glaubt, es liegt an der plötzlich fehlenden Feedbackkultur, weil die Leute nun plötzlich nicht mehr miteinander reden, dann führt die ganzen Prozesse wieder ein. Wenn ihr euch dann wirklich noch traut.
Wie sieht’s aus? Seht ihr das anders? Freu mich über … Feedback!
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