Black Friday

Am letzten Freitag im November ist Kauf-Nix-Tag. Oder im Original “Buy-Nothing-Day”, 1992 erfunden vom Künstler Ted Dave als Reaktion auf den Black Friday Kaufrausch. Der letzte Freitag im November leutet nämlich traditionell auch die Weihnachtssaison ein, in der bekanntermaßen bei den Einzelhändlern Urlaubsverbot gilt, weil sie in diesen vier Wochen ein Viertel vom Jahresumsatz machen. Und obwohl fast alle Menschen diese Zeit irgendwie blöd finden – stressig, teuer und unbefriedigend – machen fast alle irgendwie mit. In diesem Zusammenhang wirkt der Kauf-Nix-Tag dann auch irgendwie fehl am Platz. Aber so funktionieren solche Namenstage wohl. Am Tag der Arbeit haben alle frei. Am Geburtstag feiert man das Kind und nicht die Eltern. Und am Kauf-Nix-Tag wird mit Mörderrabatten die Konjunktur angekurbelt. Und irgendwo macht es ja auch Sinn.

Was macht Unternehmen erfolgreich?

Kapitalismuskritik hin, Wirtschaftswachstum her. Dass unser aktuelles Konsumverhalten nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, ist vermutlich unstrittig. Aber sollte man deshalb Gesetze erlassen, die die Unternehmen dazu zwingen nur noch sinnvolle Produkte anzubieten? Ich glaube nicht, dass gesetzliche Regulierungen irgendeinen Unterschied machen. Per Gesetz schränkt man sowieso immer nur diejenigen ein, die sich keine guten Anwälte leisten können. Die Paradise Papers haben das eindrucksvoll gezeigt.

Und wenn jemand eine gute Produktidee hat, diese gut umsetzt und sie mit einem guten Konzept und einem guten Team erfolgreich an den Kunden bringt, dann ist das ja erstmal keine schlechte Sache. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir auf unserem Weg zur Wohlstandsgesellschaft an ein, zwei Stellen falsch abgebogen sind.

  • Warum sind Unternehmen erfolgreich, die den eigenen wirtschaftlichen Wert für ihre paar Inhaber steigern anstatt ihren Beitrag für die gesamte Gesellschaft?
  • Warum sind Unternehmen erfolgreich, die möglichst viele Produkte in möglichst wenig Zeit unter die Leute bringen und nicht die, die mit möglichst wenig Produkten den möglichst größten Mehrwert für Kunden, Mitarbeiter und Eigentümer schaffen?
  • Warum sind Unternehmen erfolgreich, die Waren produzieren, die ca. 30 Sekunden nach Ablauf der Garantie kaputt gehen?

Was kommt nach „Geiz ist geil“?

Ich will mich an dieser Stelle gar nicht mit den großen Fragen zu Gemeinwohl, Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigen. Wer Interesse daran hat, findet sehr viel Informationsmaterial in Form von Büchern, Hörbüchern und Dokus unter anderem natürlich auch bei eben diesen so erfolgreichen Unternehmen. Wer sich für alternative Konzepte interessiert, findet ein paar interessante Gedanken dazu in Christian Felbers Buch zur „Gemeinwohl-Ökonomie“ oder Tim Jacksons „Wohlstand ohne Wachstum“. Auch der Film “Minimalism” zeigt schön, was es bedeutet, sich dem Hamsterrad zu entziehen. Aus professioneller Sicht finde ich aber besonders die Initiative der B Corps beachtenswert, welche versuchen den eigenen Unternehmenserfolg am Beitrag für die Gesellschaft und nicht allein an der wirtschaftlichen Bilanz festzumachen. Auch international erfolgreiche Unternhemen wie Ben&Jerrys und Patagonia gehören mittlerweile dazu. Aber das nur am Rande.

Stattdessen wollte ich auf eine Gedanken eingehen, der mich schon länger beschäftigt. Vor einigen Jahren haben wir einen Test durchgeführt. Einer unserer Kunden wollte herausfinden, ob es möglich wäre, elektronische Geräte auch zu vermieten statt zu verkaufen. Die Idee dahinter war es, eine Zweitverwertung für nicht verkaufte oder zurückgegebene Geräte aufzubauen. Der Test verlief sehr vielversprechend. Es stellte sich heraus, dass deutlich mehr Leute als gedacht, dazu bereit wären, sich teure Kameras, iPads, Beamer und Handys tageweise oder sogar dauerhaft zu mieten. Die Spiegelreflex-Kamera für den zweiwöchigen Urlaub. Den Beamer fürs Champions League Finale oder den teuren Fernseher dauerhaft inkl. Reparaturservice und regelmäßigen Upgrades.

Vorteile der Leihwirtschaft

Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, liegen die Vorteile für Kunden auf der Hand. Dinge, die man nur sporadisch benötigt, muss man nicht dauerhaft zu Hause rumliegen haben. Für den zweiwöchigen Urlaub gibt man keine 2.000€ für eine Kamera aus. Genauso wenig, wie man sich alle zwei Jahre den neuesten Fernseher kaufen möchte. Das teure Teil von 2010 soll bitte noch 5 Jahre halten. Ich investiere doch jetzt nicht in HD, wenn nächstes Jahr 4K der neue Standard ist.  Ein geleaster Fernseher lässt sich nach zwei Jahren einfach gegen ein aktuelleres Modell austauschen.  Und je nach Lebenssituation kann ich meine technologische Ausstattung flexibel an mein Nutzungsverhalten und mein individuelles Budget anpassen.

Und auch die Vorteile für Unternehmen sind nicht zu verachten. Wenn es den Unternehmen gelingt, Kunden durch Qualität von sich zu überzeugen und dauerhaft zu binden, dann haben sie eine regelmäßige Einnahmequelle. In vielen anderen Branchen wie Games, Mobilfunk und Entertainment ist das Abo-Modell längst zum neuen Erfolgsmodell geworden. Und selbst in der Automobil-Branche werden ausgelöst durch den Erfolg von Carsharing ganz neue Konzepte in diese Richtung getestet. Bei SIXT gibt es bereits die (zugegeben noch recht teure) Mobilitäts-Flatrate. Und auch Porsche und Volvo ziehen nach. Mit einem Product-as-a-Service-Modell muss man plötzlich gar nicht ständig neue Kaufentscheidungen herbeiführen und umfangreiche Werbung für jede neu Produktversion machen. Stattdessen muss man lediglich dafür sorgen, dass die Kunden mit dem aktuellen Service so zufrieden sind, dass sie diesen nicht kündigen (oder eben nur nach oben oder unten anpassen).

Mieten für die Gesellschaft

Dabei wird auf den ersten Blick nicht sofort deutlich, dass diese Modelle auch für uns als Gesellschaft einige erhebliche Vorteile haben. Angenommen ein Unternehmen plant ein neues Produkt, zum Beispiel eine Waschmaschine, die nun in einem Abomodell dauerhaft vermietet werden soll anstatt sie einmalig zu verkaufen. Dann wird dieses Unternehmen alles dafür tun, dass diese Waschmaschine möglichst robust und stabil ist und mit möglichst wenig Aufwand gewartet werden kann. Anstatt also das Produkt zu verkaufen und sich immer neue Wege auszudenken, um durch den einen Verkauf weitere, kontinuierliche Kaufentscheidungen auszulösen – sei es durch Versicherungen, Wartung oder den Neukauf nach Ablauf der Garantie – wird nun ein Service verkauft, der davon lebt, dass das Produkt möglichst lange und möglichst störungsfrei am Markt bleibt. Gut für den Kunden, gut für die Umwelt.

Das Kaufversprechen ist nun nicht mehr:

“Hier, du bekommst die tollste Waschmaschine, die nur dir gehört (und die du übrigens selbst in jede neue Wohnung mitschleppen und irgendwann verschrotten musst)”.

Das Kaufversprechen ist stattdessen nun:

“Hier, du bekommst von uns den bestmöglichen Weg, um deine Wäsche zu säubern, mit modernsten Geräten ohne großen Stress. Dafür zahlst du monatlich einen Betrag. Und wenn sich deine Situation ändert, weil du zum Beispiel plötzlich Kinder hast (oder weil die Kinder plötzlich aus dem Haus sind), dann passen wir den Betrag einfach flexibel an.”

Das würde automatisch dazu führen, dass sich Unternehmen viel mehr Gedanken, um die Qualität, die Nachhaltigkeit und auch um die Entsorgung ihrere Geräte machen müssten. Denn auch die Verschrottung würde dann nicht mehr auf den Kunden abgewälzt werden. Im Gegenteil: Unternehmen hätten viel mehr Anreize, Altgeräte weiter zu verwerten. Es müssten nicht ständig neue Rohstoffe verbraucht werden und auch das Müllproblem würde eingedämmt, weil man als Unternehmen ja nun viel eher auf nachhaltige, recyclebare Materialen setzen würde anstatt zum Beispiel auf verschleißanfällige Plastik.

Geld für Service statt Geld gegen Ware

Ich vermute, dass viele Menschen sich noch nicht ganz wohl fühlen bei dem Gedanken, zu Hause einen Haufen Geräte rumstehen zu haben, die ihnen nicht gehören. Das widerspricht dem althergebrachten Konzept von Geld gegen Ware. Als in der Spieleindustrie plötzlich Abo-Modelle aufgetaucht sind, ging ein Aufschrei durch die Community. Man wollte die Spiel-Disc inkl. schönem Cover im Laden kaufen und sich diese dann für die nächsten 20 Jahre ins Regal stellen. Quasi als Eigentumsnachweis. Durch den Vormarsch von Downloads und mobilen Games hat diese Tradition an Bedeutung verloren. Gaming wird mittlerweile ähnlich wie Musik, Serien und Filme viel stärker als Service wahrgenommen und viel weniger als Ware.

Wenn sich diese Einstellung auch in anderen Bereichen durchsetzt, bräuchten wir den Kauf-Nix-Tag vielleicht in Zukunft gar nicht mehr ganz so dringend. Weil man als Kunde nicht mehr unendlich viele Waren anhäufen würde. Und als Anbieter eher bestrebt wäre, die erfolgreichen Angebote in einer Kombination aus Ware und Service stetig zu verbessern. Als Endverbraucher würde ich mein monatliches Budget anschauen und dann entscheiden, wie viel ich in welchen Service investiere. Kein Kauf auf Raten. Stattdessen bessere Planbarkeit. Wäre das nicht eine interessante Vorstellung:

Mobility-as-a-Service: 200€ im Monat.

  • Zugriff auf öffentliche Verkehrsmittel, Car-Sharing-Services, Fahrräder und Motoroller

Entertainment-as-a-Service: 100€ im Monat.

  • Zugriff auf einen Fernseher, einen Beamer, ein Audiosystem und Video- bzw. Audio-Streamingdienste zu Hause und unterwegs

Haushalt-as-a-Service: 200€ im Monat.

  • Zugriff auf eine Waschmaschine, einen Trockner, einen Staubsauger und zweimal im Jahr ein Fensterputz-Set

Kommunikation-as-a-Service

  • mobile Endgeräte für zu Hause und unterwegs für die ganze Familie inkl. Telefonvertrag und Datenvolumen, an jedem Ort mit dem passenden Tarif

Kochen-as-a-Service

  • Zugriff auf Küchengeräte, ein Abo für frische Lebensmittel mit wöchentlicher Lieferung angepasst auf die jewieligen Wochenpläne und einen Kühlschrank, der das Nötigste automatisch nachbestellt

Office-as-a-Service

  • Zugriff auf einen PC und ein Tablet inkl. Drucker und individuell anpassbarem Druckvolumen. Größere Aufträge werden außer Haus gedruckt und nach Hause geliefert.

Product-as-a-Service

Ich persönlich finde dieses Konzept sehr reizvoll, da ich eigentlich keine Lust habe, mich immer wieder aufs Neue damit beschäftigen zu müssen, ob und welche neuen Geräte angeschafft werden müssen und wie lange die halten und was passiert, wenn die kaputt gehen und warum ich extra zahlen soll, wenn ich ein Problem mit meinem Produkt habe. Aber bis wir soweit sind, wird es wohl noch eine Weile dauern. Also liebe Innovation Labs da draußen, denkt mal drüber nach! Ich sag’s euch: Product-as-a-Service wird das nächste große Ding.

Dann gäbe es am Back Friday 60% mehr Service statt 60% Rabatt auf Plastikschrott. Und solche Bilder gehörten dann vielleicht irgendwann der Vergangenheit an:

PS: Wenn ihr übrigens einen Tipp wollt, wie man den Weihnachtstress etwas reduzieren kann. Schaut auch mal den Wichtel-O-Mat an. Jeder bekommt nur noch eine Person zugelost, die man beschenkt. Kann dafür ja vielleicht auch etwas teurer sein. Somit kriegt jeder aus der geplanten Weihnachtsgesellschaft nur noch ein wirklich passendes Geschenk (außer die Kinder natürlich) statt ein dutzend Amazon-Gutscheine. Wir handhaben das nun seit einigen Jahren so und haben seitdem viel mehr Zeit, um die Vorweihnachtszeit zu genießen (und ein deutlich besseres Gewissen dank der viel überschaubareren Geschenkeberge unterm Weihnachtsbaum).

 

„Lieber mieten als kaufen“ oder „Was mich am Black Friday nervt“
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