Nach einer längeren Pause, heute mal wieder ein #ImproBlog. Und dann direkt mit der Tradition brechen und nicht auf einen fremden Tweet reagieren sondern auf meinen eigenen. Und dann auch noch zu einem so trockenen Thema wie Arbeitsmarktpolitik. Das Wort allein lässt mich fast einschlafen. Aber das, was dahinter steckt ist um so interessanter.
Letztendlich geht es um nicht weniger als ca. 50% unseres wachen Lebens. So viel Zeit verbringen Erwachsene zwischen ca. 25 und 65 damit, für irgend jemanden oder irgend etwas zu arbeiten. Da lohnt es sich ja doch mal 1-2 Gedanken drauf zu verschwenden.
Aber vorweg kurz der besagte Tweet, um den es geht:
In der Arbeitsmarktpolitik gehen sehr viele Konzepte (Mindestlohn, Teilzeitbrücke) von der Annahme aus, dass das vorherrschende Modell der Arbeitswelt auch in Zukunft Vollzeitbeschäftigung (>36h/w, 1 Arbeitgeber) sein wird. Stimmt das?
— Gregor Ilg (@_gregorilg) 6. November 2018
Wie arbeitet ihr in 5 Jahren? (Gerne RT)
Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass das Konzept „Vollzeitbeschäftigung“ ein Auslaufmodell ist (wieso und warum habe ich hier beschrieben). Oder zumindest wird es sich in den nächsten Jahren zu nur einem von vielen verschiedenen Lebensmodellen zurück entwickeln.
Mit dieser nicht einmal annähernd repräsentativen Umfrage wollte ich eigentlich nur ein Gefühl dafür bekommen, ob ich mit dieser ganz Meinung allein da stehe oder ob andere sich ähnliche Gedanken machen.
Und auch wenn Twitterer ein ganz besonderes Völkchen sind und man aus 39 Antworten sicher keine Allgemeingültigkeit ableiten kann, so war das Ergebnis für mich dennoch eine Bestätigung.
Lediglich ein Viertel der „Antwortenden“ gehen davon aus, dass sie in 5 Jahren in Vollzeit arbeiten werden Ein Viertel!!! Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Anteil der Freelancer in den USA in den bis 2027 auf 50 Prozent wächst. Die Gig Economy is coming.
Und was sind die aktuellen Themen unserer Arbeitsmarktpolitiker? Mindestlohn. Renteneintrittsalter. Brückenteilzeit.
All diese Konzepte gehen nach wie vor von einem Standardmodell aus, in dem Menschen nach ihrer Ausbildung in einen Job eintreten. Diesen in der Regel bei einem Arbeitgeber (der zwar ab und zu mal wechseln kann, aber immer nur von einem zum anderen, nie gleichzeitig) für fünf Tage die Woche ausführen. Und mit 64 oder 65 oder 66 Jahren den Hut an den Nagel hängen.
Ich kann mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen, dass ich im Jahre 2047 die goldene Uhr in Empfang nehme, um mich dann zur Ruhe zu setzen. Mit einer Rente von vielleicht 1.500€, von der ich mir Dank Inflation dann 2 Wurstbrote kaufen kann. Also Wurstimitat versteht sich.
Liebe Politiker! Ich weiß ihr selbst, kommt selten mit Leuten in Berührung, die nicht wie ihr jeden morgen ins Büro gehen. Mittags zum Italiener um die Ecke (außer Mittwochs, da ist Schnitzeltag) und zur Abwechslung hier und da mal eine Dienstreise einstreuen. Und ich kann mir schon vorstellen, dass für euch Arbeit ein großer (und hoffentlich erfüllender) Teil des Lebens ist, dem man gerne auch mehr als nur 40 Stunden in der Woche widmet.
Aber das ist für uns als Gesellschaft aus wirtschaftlicher Sicht in Zukunft nicht mehr notwendig. Und viele Menschen sehen das auch nicht mehr als erstrebenswerten Lebensentwurf an. Wenn ihr also progressiv und zukunftsgewandt agieren möchtet. Dann macht euch endlich Gedanken darüber, wie man die Rahmenbedingungen für ganz verschiedene Arbeitsmodelle verbessern kann. Hier mal ein paar willkürliche Stichpunkte dazu:
- faire Besteuerung von mehreren (gleichberechtigten) Nebenjobs
- Vereinfachung von temporären Auszeiten (nicht nur für Eltern)
- Alternativen zum aktuellen Rentensystem
- bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)
- Jobsharing
- Förderung von selbständigen und unternehmerischen Tätigkeiten inkl. Nachbetreuung bei gescheiterten Unternehmungen
- Orts- und Zeitunabhängiges Arbeiten
- Weiterbildungsmaßnahmen, die sich nicht auf fachliche Kompetenz beschränken sondern ganz allgemeine auf die Fähigkeit, sich auf dem sehr dynamischen Arbeitsmarkt sinnvoll einzubringen
- massive Erhöhung der Attraktivität von gemeinnützigen und sozialen Organisationen
Zusammengefasst möchte ich euch gerne diese Botschaft mitgeben.
Liebe Politiker, bitte versucht einen Arbeitsmarkt zu gestalten, in dem viele verschiedene Lebensmodelle und Charaktere ohne künstlich erschaffenen Druck und Stress ihren Platz finden können! Click To TweetUnd wenn ihr das für die Forderungen einer unbedeutenden, nicht wahlentscheidenden Minderheit haltet, dann macht halt wenigstens mal eine repräsentative Studie zu diesem Thema. Kann man ja zur Not auch 1-2 Leute befragen, die nicht bei Twitter sind.
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