re:publica 2018

Ich möchte mich nicht mit fremden Federn schmücken. Selbst wenn es meine eigenen sind.

Liebes re:publica Team,

zuerst einmal Gratulation zur hervorragenden Programmzusammenstellung für die re:publica 2018 vom 2.-5. Mai in Berlin. Ich habe mir kürzlich die verschiedenen Beiträge und Themen angesehen und muss ehrlich sagen, dass ihr ein wirklich abwechslungsreiches, unterhaltsames und aller Voraussicht nach auch sehr informatives Programm zusammengestellt habt.

Mit voraussichtlich mehr als 9.000 Teilnehmern, internationalen Speakern aus zahlreichen verschiedenen Ländern und an die 500 Stunden an Programm, seid ihr mit Sicherheit eine der wichtigsten Konferenzen weltweit zum großen Oberthema: Digitale Gesellschaft.

Inspiration re:publica 2018

Zu meinen persönlichen Favoriten gehören dieses Jahr “Die Teilung der Welt – Polarisierung ist Pop” (Thomas Knüwer wünscht sich mehr Differenzierung in der öffentlichen Debatte), “Pop und Anti-Pop – Wie das Internet uns lehrte zu kämpfen. Und wofür.” (Sascha Lobo ist Sascha Lobo) und “Digitale Transformation: Wie werde ich arbeiten?” (die sehr geschätzte Inga Holtmann spricht mit Tarik Tesfu über ihren New Work Canvas). Ein bunter Strauß Inspiration.

Ein kleiner Aspekt eures Programms hat mich dennoch ein wenig irritiert. Aber von vorne…

Anfang des Jahres habt ihr dazu aufgerufen, Vorschläge für mögliche Sessions auf eurer Veranstaltung einzureichen. Ich bin Digital Native, liebe Diskussionen rund um die Zukunft unserer Gesellschaft, bin seit 5 Jahren hauptberuflich bei der Digital- und Innovationsberatung etventure tätig und schreibe nebenbei regelmäßig in meinem Blog Future Proof World relativ querbeet über die Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Arbeitswelt. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe, dass dieses Jahr unter anderem das Topic “We Can Work it Out” für Beitragseinreichungen zur Auswahl stand.

In den letzten Jahren habe ich mich berufsbedingt sehr intensiv mit den verschiedenen Kriterien einer agilen Unternehmenskultur beschäftigt. Die daraus resultierenden Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Startup und Konzern führten unter anderem dazu, dass ich mich mit vielen interessanten Vertretern der New Work Szene austauschen durfte (so zum Beispiel Dr. Andreas Zeuch, Nadine Nobile, Winfried Felser, Heiko BartlogTobias Leisgang, Bianka Groenewolt oder Frank Eilers). In zahlreichen Gesprächen sind einige Ideen entstanden, die ich sehr gerne mit anderen teile und diskutiere. Eure Plattform wäre dafür natürlich eine großartige Gelegenheit gewesen.

Also setzte ich mich hin und sortierte diese Ideen, um daraus einen würdigen Vorschlag für diesen großartigen Anlass zu konzipieren. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass wir die unvermeidlichen Veränderungen der Arbeitswelt selbst positiv mitgestalten können. Da ich ich mich gerne öffentlich mit der Thematik auseinandersetze – z.B. auf Meetups, Konferenzen oder in Blogartikeln – ging die Konzeption recht flott von der Hand. Allein der Titel war eine Herausforderung.

Es sollte etwas Griffiges sein, was ins Ohr geht. Etwas, worauf man aufbauen kann. Meine traumtänzerische Vorstellung war es, dass man die re:publica als Auftakt für einen langfristigen Diskurs zum Thema “Neue Arbeitswelt” nutzen könnte. So hat mein kleines Autorenherz dann auch einen Luftsprung gemacht, als mir eines abends in der S-Bahn der folgende Titel eingefallen ist:

“This is the end of the WORK as we know it (and I feel fine)”

Ich kann nicht einmal sagen, wie genau ich darauf gekommen bin. Ich weiß nur, dass ich mir zu Hause angekommen sofort noch einmal das (unterbewusst offensichtlich als Inspiration dienende) Musikvideo von R.E.M. angesehen habe. Und ich dachte mir: Perfekt, das ist es!

Kurz darauf (genauer gesagt am 8.1.) lud ich also meinen Session-Vorschlag in eurem dafür vorgesehen Portal hoch, gönnte mir eine Traubensaftschorle mit Schuss und schwankte eine Weile hin und her zwischen euphorischer Vorfreude und dem Boden der Tatsachen. Insgesamt war ich aber äußerst zufrieden mit dem Ergebnis:

 


Future of Work Session Re:publica


Ein paar Tage später hatte sich die erste Aufregung gelegt und mir wurde dann auch bewusst, dass die bloße Einreichung des Konzepts ja noch gar keine Teilnahmegarantie war. Und so begann ich mich damit zu beschäftigen, wie wir die zugrunde liegenden Ideen unabhängig von einem vielleicht gar nicht ganz so sicheren Kickoff auf der re:publica weiter vorantreiben könnten. Drei Wochen später veröffentlichten wir gemeinsam mit meiner Kollegin Doris Bärtle einen ersten Artikel dazu über den etventure Blog. Unser Theme (also das, was der Imperial March für Star Wars ist) haben wir pro forma schon einmal vorsichtig platziert:

 


 


  

Angesichts dieser zugegebenermaßen vielleicht ein wenig überhöhten Erwartungen ließ sich die Enttäuschung selbstverständlich nicht so leicht unterdrücken, als mit einiger Verspätung dann im März die offizielle Absage kam.


re:publica 18 absage


Nun gut. Die Begründung war plausibel. Bei 1.000 Einreichungen, da passt nicht jedes Thema rein. Vielleicht war der Ansatz dann doch zu nischig oder nicht weitblickend genug oder zu weitblickend. Schwamm drüber. Kann ja auch nicht alles beim ersten Mal klappen. Und wir hatten ja auch bereits damit angefangen, unser Theme zu platzieren. Darauf konnten wir nun frohen Mutes aufbauen. Es entstehen immer mehr Möglichkeiten, sich auch auf professioneller Ebene über die „Neue Arbeitswelt“ auszutauschen. Oder wie wir Berliner sagen: „Alles dufte“. Weitere Beiträge sind in Arbeit und die Kern-Message wird weiter geschärft:

“Die neue Arbeitswelt kommt und wir brauchen keine Angst davor zu haben”

Unabhängig davon könnten wir die re:publica ja nun trotz allem für weitere Impulse zum Thema nutzen. Daher war ich natürlich besonders gespannt, als das offizielle Programm veröffentlicht wurde. Welche Beiträge haben es denn nun in die Auswahl geschafft? Was sind die heißen Themen, die meinen Vorschlag ausgestochen haben? Ich klick mich also durch die zahlreichen Sessions. Bleibe hier hängen und stöbere da ein wenig. Und plötzlich fällt mir die Kinnlade runter. Ich wische mir kurz die Augen. Im Programm steht tatsächlich der folgende Titel:

“Perspectives from developing countries – It’s the End of the work as we know It (and I feel fine)!”



Das ist ja der Hammer, denke ich. Meine Session findet doch statt. Da habe ich wohl ganz fälschlicherweise ein Absage erhalten. Der Knaller. Was soll ich anziehen? Ich wollte schon alle anderen Termine absagen, aber dann stutzte ich. Der Titel war ein wenig abgewandelt. Und dann fiel mein Blick auf die Speaker:

Mark Graham, Amel Saidane, Dorothy Gordon, Richard David Precht, Katharina Hochfeld

Keiner dieser Namen steht auf meinem Ausweis. Ist das ein Missverständnis? Ich klicke also auf die Session Details.



Auch hier finde ich meinen Namen nicht. Das nervöse Zucken im Auge lässt langsam wieder nach und ich versuche analytisch ranzugehen. Handelt es sich hier vielleicht um einen anderen Talk und der Titel ist nur zufällig der gleiche? Ich lese mir die Beschreibung durch.

  • Automatisierung wird Jobs verändern
  • wir können es selbst gestalten
  • neue Jobs werden kommen
  • es geht um Entwicklungsländer

Aha, es geht um Entwicklungsländer. Davon stand nichts in meinem Konzept. Das ist also der Knackpunkt. Die Entwicklungsländer. Das Ende der Arbeit betrifft noch nicht uns alle, sondern erst einmal die Entwicklungsländer. Dann macht es natürlich auch keinen Sinn mich einzuladen. In Entwicklungsländern kenne ich mich nicht so gut aus. Da haben Leute wie Mark Graham, (Leiter des Oxford Internet Institute), Dorothy Gordon (Tech Aktivistin und Entwicklungsspezialistin aus Ghana) oder Richard David Precht, (Autor, Gesellschaftskritiker und Philosoph) einfach deutlich mehr Expertise… und auch deutlich mehr Follower auf Twitter. Und das meine ich in keinster Weise despektierlich. Unter diesem  Aspekt hätte ich mich selber auch nicht eingeladen. Also alles soweit nachvollziehbar.

Aber hier kommt mein Dilemma! Was mache ich denn jetzt mit meinen eigenen Plänen? Was passiert, wenn dieses Panel zum Thema „Neue Arbeit“ mit sehr prominenten Teilnehmern eine gewisse Reichweite erzielt? Ich würde es der Session von ganzem Herzen gönnen. Fokus auf Entwicklungsländer oder nicht. Die neue Arbeitswelt ist es in jedem Fall wert, darüber zu reden. Und zumindest bei Herrn Precht (die anderen kenne ich leider nicht so gut) kann ich guten Gewissens davon ausgehen, dass er ein paar sehr schlaue und pointierte Dinge zu dem Thema sagen wird.

Wenn ich da nun aber ab Mitte Mai bei irgendwelchen Veranstaltungen mit meinem eigenen tollen “This is the end of the WORK“ Vortrag auftauche, dann wirkt das doch komplett so, als hätte ICH das Konzept geklaut. Das will doch auch keiner.

Lange Vorrede kurzer Sinn. Das, liebes re:publica Team, ist mein Dilemma und der Grund, weshalb ich mich an euch wende. Nach einigen Überlegungen sehe ich daher nur drei Möglichkeiten.

  • Erstens: Ihr ändert den Titel eures Panels und konzentriert euch noch stärker auf den Aspekt Entwicklungsländer und nicht so sehr auf den Aspekt Sinn der neuen Arbeit. Das fände ich allerdings ein wenig schade. Ich fühle mich ja grundsätzlich geehrt, dass ihr dieses kleines Wortspiel so inspirierend fandet, dass ihr das als Titel für ein prominent besetztes Panel zur Hauptsendezeit genutzt habt.
  • Zweitens: Ich muss meinen eigenen Vortrag ändern und mir zum zweiten Mal einen griffigen Titel ausdenken. Aber ihr werdet verstehen, dass ich das unter den gegebenen Umständen irgendwie nicht richtig fände.
  • Daher Drittens: Mein Favorit. Ihr ladet mich ebenfalls zum Panel ein. Damit habt ihr jemanden da sitzen, der sich gar nicht mit Entwicklungsländern, aber relativ gut mit digitaler Transformation auskennt und immer fleißig leicht unqualifizierte aber dafür unterhaltsame Fragen stellen kann. Ich persönlich würde mich sehr freuen, bei dieser Gelegenheit Richard David Precht kennenzulernen. Und das Beste: niemand müsste etwas an seinem Programmtitel ändern, da wir in Zukunft ja dann alle mit Fug und Recht behaupten könnten: “The end of the WORK? Ja, ja… die Session bei der Re:publica? Ja genau. Da waren wir dabei.”

Was sagt ihr dazu? Wäre das eine Möglichkeit? Ruft mich gerne jederzeit an. Meine Kontaktdaten habt ihr ja. Ich wohne in Berlin und kann das kurzfristig möglich machen.

Falls das aus irgendwelchen Gründen nicht klappt. Und ihr trotzdem noch Inspirationen für die Session braucht, schaut euch doch gerne auch die folgenden Beiträge an:

Ihr könnt die Ideen daraus gerne zitieren. Ich würde mich natürlich freuen, in diesem Zusammenhang zumindest kurz namentlich erwähnt zu werden. Ihr wisst schon…

Also soweit, so gut. Falls es dieses Jahr nicht klappt, wünsche ich euch alles Gute und viel Erfolg. Und vielleicht kommen wir dann nächstes Jahr nicht nur thematisch, sondern auch persönlich zusammen. Ich freue mich drauf.

Ach ja, falls das jetzt aus Versehen jemand liest, der gar nichts mit der ganzen Sache zu tun hatte, teilt den Artikel gerne. Einerseits ist es Werbung für die re:publica. Und andererseits würde eine große Verbreitung dieses Beitrags dazu führen, dass ich den Titel künftig vielleicht doch selber nutzen kann, ohne mich potenziellen Plagiatsvorwürfen ausgesetzt zu sehen.

Vielen Dank und viele Grüße,
Gregor.

PS: Ich möchte an dieser Stelle explizit festhalten, dass ich dem re:publica Team in keinster Weise böse Absicht unterstelle. Sie haben eine großartige Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. Ich schätze die re:publica und alle Teilnehmer sehr und habe alle oben getroffenen positiven Aussagen in voller Ernsthaftigkeit genauso formuliert.

 

Update vom 2. Mai 2018

Ok, mit so viel Resonanz habe ich nicht gerechnet. Ich möchte jetzt nicht direkt sagen, dass mich das überfordert, aber ich war definitiv nicht drauf vorbereitet.


In jedem Fall habe mich sehr über die zahlreichen positiven Rückmeldungen, Tipps und Solidaritätsbekundungen gefreut.

Auf der einen Seite hat es dazu geführt, dass ich mich selber gedanklich noch einmal etwas intensiver mit dem Wert von Ideen auseinandergesetzt habe (Spoiler: es müsste ein Weg gefunden werden, wie möglichst viele Menschen gemeinsam oder unabhängig voneinander bestehende Ideen nutzen und weiterentwickeln können und es trotzdem Möglichkeiten für Urheber gibt, am potenziellen Erfolg zu partizipieren. Hat jemand eigentlich nochmal was von dieser Blockchain gehört? Da könnte man anknüpfen.).

Auf der anderen Seite hat mich das Programm-Team der re:publica kontaktiert, um den Zwischenfall aufzuklären. Tatsächlich war es wohl so, dass das Panel “Perspectives from developing countries – It’s the End of the work as we know It (and I feel fine)!“ direkt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter diesem Titel geplant wurde. Das Programm-Team stand in engem kuratorischem Austausch mit dem BMZ und empfand die Tatsache, dass ein Titel vorgeschlagen wurde, der zuvor schon von jemandem anders eingereicht wurde nicht als Problem. Insbesondere da es sich um eine Anspielung auf einen populären Musiktitel handelt, die im gegebenen Kontext recht naheliegend war. Nichtsdestotrotz haben sie vollstes Verständnis für die potenziellen Unannehmlichkeiten, die sich daraus ergeben könnten, wenn dieser Titel in Zukunft weiter von mir genutzt werden sollte. Als freundschaftliche Geste haben sie mich zur re:publica 18 eingeladen, um diese und andere Sessions persönlich zu besuchen und mit anderen Besuchern in den Austausch zu gehen.

Ich habe dieses Angebot sehr gerne angenommen und konnte viele spannende Inspirationen aus diesem spontanen re:publica Besuch mitnehmen.

Abschließend möchte ich noch meine ganz persönliche Einschätzung wiedergeben (ich weiß, das hier ist mein Blog und darum ist hier generell alles meine persönliche Meinung, aber trotzdem…):

Es gab auf diesen Beitrag verschiedene Reaktionen von „Skandal! Du musst Dein Recht als Urheber einfordern.“ bis hin zu „Reg dich mal nicht so auf. So originell war der Titel nun auch wieder nicht.“ Und irgendwie ist beides richtig. Und irgendwie auch wieder nicht. Ein Anwalt mit zu viel Freizeit hätte vermutlich einen unterhaltsamen Nachmittag mit diesem Fall.

ABER: Im Endeffekt ging es mir gar nicht um Ursachenforschung oder die juristische Erörterung der Sachlage. Ich wollte lediglich mein ganz persönliches Dilemma skizzieren. Einerseits um es für mich zu verarbeiten und andererseits um Reaktionen hervorzurufen. Quasi als Zweitmeinung. Und ich muss sagen, beides hat für mich voll funktioniert. Ich sehe die ganze Episode aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen heute deutlich entspannter als noch vor einer Woche. Und ich könnte den Vortrag in Zukunft nun sicher weiterhin unter dem geplanten Titel halten und mit einer netten kleinen Anekdote einleiten.

In diesem Sinne vielen Dank noch einmal für das Teilen und Kommentieren diese Beitrags. Und vielen Dank an das re:publica Orga Team für die freundschaftliche und offene Kommunikation und das Entgegenkommen.

Offener Brief an das re:publica Team: Ihr habt vergessen, mich zu meiner eigenen Session einzuladen
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