Liebe Hanna,
ein Tweet bei Twitter hat ungefähr die Halbwertzeit der Aussagen von Donald Trump nach dem Faktencheck. Wenn man einmal etwas bei Twitter verkündet hat, dann ist das in der Regel nach ungefähr 24 Minuten schon wieder egal. Und da jeder, der Twitter nutzt, das weiß, lacht man kurz oder regt sich ein bisschen auf. Vielleicht klickt man auf das Herzchen. Und dann vergisst man das Gelesene wieder und geht seinem echten Leben nach.
Manchmal gibt es allerdings kleine 3-Zeiler, die nachhallen. Eine kurze Anekdote, die man weiter erzählt. Ein Hinweise, der dazu führt, dass man sein eigenes Verhalten ein bisschen ändert. Oder ein Aufruf zu mehr Engagement, den man nicht vergisst. Und aus unerklärlichen Gründen hat mich der folgende Tweet von dir deutlich länger als üblich beschäftigt:
Ich glaub, ich mach jetzt einen Podcast, damit ich endlich was »Hart aber herbstlich« nennen kann.
— Hanna Herbst (@HHumorlos) 7. August 2018
Klar. Der Titel ist lustig. Und auch einige der Kommentare sind lustig. Aber echt jetzt? Hmm. Echt? Jetzt?
Eins sei vorweg geschickt. Ich kenne dich nicht. Also nicht besser als man jemanden, dem man seit ein paar Monaten bei Twitter folgt, kennen könnte. Ich weiß, dass du von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurdest. Dass du dich sehr für Frauenrechte einsetzt. Dass du zumindest Stand jetzt stellvertretende Chefredakteurin bei VICE Österreich bist. Und dass du entgegen deines Twitter-Handles (@HHumorlos) eine gute Portion Humor hast.
Und auch du kennst mich nicht. Außer vielleicht… Ja, nee. Du kennst mich nicht. Deswegen hier eine kurze Zusammenfassung:
- Ich interessiere mich sehr für meine persönliche, die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Zukunft
- Ich beschäftige mich beruflich mit Innovation und der neuen Arbeitswelt
- Ich möchte mir mit meiner Familie gerne mal die Welt ansehen
Und trotzdem werde ich diese Idee nicht los. Es wäre einfach saucool, den Hart aber Herbstlich Podcast zu machen. Oder zumindest mal 1-2 Folgen.
Gut. Da brauchen wir uns jetzt aber auch keine Illusionen machen (und mit wir meine ich mich). Das sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für einen gemeinsamen Podcast.
5 Gründe gegen den Podcast mit Hanna Herbst (und mir)
Um Dir die Argumentationsarbeit abzunehmen, habe ich die fünf wichtigsten Gründe, warum das eine völlig idiotische Idee ist, einfach schon einmal zusammengetragen.
1. Wir kennen uns nicht
Ja, das darf man nicht unterschätzen. Man kann sicherlich mal so eine einmalige Podcast-Folge gemeinsam durchziehen, wenn man sich nicht kennt. Einer bereitet ein paar Fragen vor, vielleicht ein Thema und dann macht man so eine Art Interview. Das funktioniert zur Not auch, wenn man sich nicht leiden kann. Aber einen ganzen Podcast? Was ist, wenn man überhaupt nicht auf einer Wellenlänge ist und sich gegenseitig nur anschweigt. Das ist für einen Podcast ja denkbar ungünstig. Ich glaube, uneingeschränkte Sympathie wäre im Notfall gar nicht mal so unbedingt notwendig. Aber man muss sich ja wenigstens was zu sagen haben.
2. Der zeitliche Aufwand
Ein Podcast ist Aufwand. Ich habe mich bereits damit abgefunden, dass die Verantwortung für die ganze technische Vor- und Nachbereitung bei mir läge (ich gehe davon aus, dass alle anderen Szenarien, bei denen du dich um die Technik kümmern müsstest, nicht nur unwahrscheinlich sondern aus Zeitgründen im Prinzip undenkbar wären). Nichtsdestotrotz würde es pro Folge bestimmt immer noch ca. 2 Stunden deiner Zeit in Anspruch nehmen. Eine Folge alle zwei Wochen. 4 Stunden im Monat. Ich kenne deinen Terminplan nicht, aber es wirkt nicht so, als ob da am Monatsende regelmäßig 4 Stunden übrig bleiben.
3. Konsequenzen
Ich muss mir da nicht so große Sorgen machen. Meine 931 Twitter Follower werden es verkraften, wenn ich ein paar qualitativ durchschnittliche, inhaltlich belanglose Podcastfolgen veröffentliche. Bei dir ist das vermutlich anders. Da gibt es sicher eine bestimmte Erwartungshaltung. Das kann sich nachher ja katastrophal auf die Karriere auswirken. Das Internet vergisst nicht.
4. Verpflichtung
Noch schlimmer wäre es natürlich, wenn diese Schnappsidee tatsächlich Erfolg hätte. Dann kann man ja nicht so einfach aufhören. Ein Podcast verpflichtet. Das bedeutet, alle zwei Wochen eine neue Folge aufnehmen. Immer up to date sein. Und sich ausgiebig dafür entschuldigen, wenn mal zwei Folgen ausfallen, weil man es wagt, für ein paar Wochen in Sommerurlaub zu fahren.
5. Die Entstehungsgeschichte
Rein objektiv macht es einfach keinen Sinn, so etwas komplett ohne Plan und Erfahrung umsetzen zu wollen. Okay, fairerweise muss man dazu sagen, dass ich kürzlich beim Podcast „Arbeitsphilosophen“ dabei sein durfte, was scheinbar kein kompletter Reinfall war. Selbst den Leuten zufolge, die mir gegenüber keine Verpflichtungen haben.
Und dein Podcast-Auftritt bei Jeannes Heldin letztes Jahr im November war auch sehr überzeugend. Was die Technik angeht, kann ich zumindest einbringen, dass ich mich aufgrund meiner Vergangenheit im Bereich Medienproduktion zumindest ein bisschen mit Soundaufnahmen und Nachbearbeitung auskenne. Von daher ginge es nicht bei Null los. Aber trotzdem. Wenn ich ein Investor wäre, würde ich nicht in dieses Projekt investieren.
Wenn für dich da bereits ein Totschlagargument dabei war, kannst du jetzt aufhören zu lesen. Würde mich allerdings freuen, wenn du mir den ausschlaggebenden Aspekt kurz in einen Antwort-Tweet kopieren könntest. Feedbackkultur und so.
10 Gründe für den Podcast mit Hanna Herbst (und mir)
Falls es allerdings eine Restunsicherheit gibt, ob das vielleicht doch nicht die bescheuertste Idee seit der Erfindung von FCKW ist, dann mach dich auf etwas gefasst. Hier kommen die zehn ultimativen Argumente, warum es höchste Zeit ist für den Hart aber herbstlich Podcast (und warum ausgerechnet mit mir).
1. Spaß
Manchmal muss es nicht unbedingt Sinn machen. Manchmal reicht es, wenn es einfach nur Spaß macht.
Witzige Postkarte
2. Plattform für Meinungen
Du beschäftigst dich offensichtlich mit dem aktuellen Zeitgeschehen. Twitter ist ein guter Kanal, um hier und da ein paar Glanzlichter zu setzen. Aber man kann nicht in die Tiefe gehen. Berichte oder Kolumnen sind gut geeignet für Hintergrundinformationen und interessante Details, aber seeehr aufwändig. Bei einem Podcast könnte man mit vergleichsweise wenig Aufwand in relativer Regelmäßigkeit das Zeitgeschehen kommentieren und ungestraft mit der eigenen Meinung garnieren.
3. Deutsch-österreichische Völkerfreundschaft
Ich will nicht sagen, dass das Verhältnis angespannt ist, aber ich denke, so einen länderübergreifenden Schulterschluss könnte Europa gerade gut vertragen. Wir könnten so zumindest verbal die Grenzen offen halten.
4. Humor und Zeitgeschehen
Es gibt sehr gute Podcasts, die sich mit dem aktuellen Zeitgeschehen auseinandersetzen (Lage der Nation). Es gibt sehr gute Podcasts, die sehr witzig sind (Talk ohne Gast). Wahrscheinlich gibt es auch sehr gute Podcasts, die sich witzig mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Aber die kenne ich nicht. Ich bin aber überzeugt davon, dass das eine wirklich unterhaltsame Kombination sein kann. Und ich bin ebenfalls überzeugt davon, dass wir das hinkriegen könnten.
5. Schöne Zukunft
Ich würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, aber ich vermute, dass du dich genau wie ich dafür interessierst, wie man den gesellschaftlichen Wandel positiv gestalten kann. Welche Folgen hat die Digitalisierung? Wie kann man den Leuten die Angst davor nehmen? Wie schafft man es, Extremismus (egal ob links, rechts, oben oder unten) für den Großteil der Bevölkerung unnötig oder zumindest unattraktiv zu machen? Wie wollen wir in Zukunft leben? In überfüllten Städten? In Smart Villages? In einem Steinhaus in Schweden? Oder überall ein bisschen? Welche Rolle spielt die Bildung? Diese Themen interessieren mich brennend. Und ich wage zu behaupten, auch du hättest da einiges zu erzählen.
6. Kategorien
Ich habe es bei Twitter schon erwähnt. Die ersten Kategorien (von denen so ein Podcast ja lebt), gibt es schon:
- Das Humor-Los: drei witzige Zitate werden per Los einer aktuellen Schlagzeile zugeordnet.
- Die Hannalogie: Ein komplexer, tagesaktueller Sachverhalt wird so erklärt, dass ein Grundschulkind den verstehen würde.
- Das Herbst-Gewitter: Abwechselnd wird ein Thema ausgewählt, welches einen wahnsinnig aufregt und dann hat man 3 Minuten Zeit, um sich nach Strich und Faden darüber auszulassen.
Und das ist erst der Anfang…
7. Wenig Aufwand, große Wirkung
Ich weiß, ich habe bei den Gegenargumenten geschrieben, dass Erfolg ja verpflichtet und man sich da im Worst Case alle zwei Wochen so eine Folge ans Bein bindet. Aber nichtsdestotrotz ist der Aufwand im Vergleich zum Nutzen verhältnismäßig gering. Alle zwei Wochen eine Stunde quatschen. Zwischendrin Augen und Ohren offen halten, damit man zumindest ein bisschen mitreden kann. Und unter Umständen vielleicht auch mal auf einen iTunes Kommentar reagieren. Und dafür dann Tausende, Hundertausende oder Millionen von Hörerinnen und Hörern erreichen. Also ich bitte dich. Das ist es doch wert.
8. Promotion
So. Nun nennen wir das Kind mal beim Namen. In einem Monat kommt Dein Buch „Feministin sagt man nicht“ raus. Und man schreibt Bücher ja nicht, um sich dann davon einen Screenshot von Amazon ins Wohnzimmer zu hängen. Man möchte ja schon auch, dass die gelesen werden. Und da macht es natürlich Sinn, dass man da ab und zu drüber redet. Ich durfte ebenfalls kürzlich Teil eines Buchprojektes zum Thema Digitalisierung sein, welches voraussichtlich auch im Herbst veröffentlicht wird. Kann man hier und da ja mal thematisieren. Win-Win würde ich sagen.
9. Dialog der Geschlechter
Apropos Feminismus. Ich würde mich selbst nicht als Experten auf diesem Gebiet bezeichnen. Und ich kann ehrlicherweise nicht immer allen Argumenten (dafür oder dagegen) folgen, aber ich bin extrem interessiert daran, Wege zu finden, wie man die geschlechtsspezifischen Herausforderungen (von denen ich als straight white male zugegebenermaßen so gut wie gar nicht betroffen bin) minimieren kann. Einen offenen geschlechterübergreifenden Dialog hat man heutzutage ja auch gar nicht sooo oft in der Medienlandschaft.
10. Die Entstehungsgeschichte
Wenn das Ganze nicht funktioniert, war das von vornherein abzusehen (siehe oben). Aber wenn es doch funktioniert, dann ist die Entstehungsgeschichte der Icebreaker auf jeder Party.
„Mein Podcast? Ja, abgefahrene Story. Ich hatte eigentlich nur den Titel bei Twitter gepostet, weil ich den ziemlich witzig fand. Und dann hat mich so ein Typ angeschrieben, von dem ich noch nie was gehört hatte. Und der hatte irgendwie ein paar ganz gute Argumente, es doch mal auszuprobieren. Und dann haben wir zum Spaß mal so zwei Folgen aufgenommen. Und da sind wir jetzt. Nächste Woche machen wir die 100 voll…“
So liebe Hanna, jetzt musst Du Dich entscheiden…
Ok, das ist so nicht ganz korrekt. Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Theoretisch hast du alle Zeit der Welt. Ich bin einigermaßen gut beschäftigt und werde jetzt nicht von heute auf morgen mit einem anderen Podcast durchbrennen. Aber wenn du nur ca. 2 Sekunden darüber nachgedacht hast, ob das vielleicht doch was sein könnte, dann möchte ich an dieser Stelle kurz mein Lieblingszitat von Thomas Edison (ja, der Typ mit der Glühbirne) anbringen:
Ich bin nicht gescheitert. Ich habe lediglich 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren!
Thomas Edison
Und man sieht ja, was draus geworden ist. Also schick mir einfach ein kurzes Zeichen – ich denke Twitter wäre der angemessene Kanal – und ich kümmere mich um den Rest. Ich freu mich auf die erste Folge.
Auf gut Ton (wie wir Podcaster sagen),
Gregor.
PS: Ich habe sehr lange überlegt, ob ich diesen Vorschlag tatsächlich veröffentliche. Letztendlich kann man die Idee originell und den Beitrag lustig finden. Man kann ihn aber auch als selbstdarstellerischen Unsinn abtun und direkt ignorieren. Und gerade, wenn man viel um die Ohren hat, ist die zweite Option wohl realistischer. Aber dann kam die folgende Nachricht:
Na, was für ein herrlicher Satz von @HHumorlos über den geschlossenen Rücktritt der Vice-Österreich-Redaktion: „Es ist niemand gegangen, weil er etwas anderes vorhatte. Sondern weil es Zeit war, zu gehen.“
— Jürgen Klatzer (@JurgenKlatzer) 14. August 2018
https://t.co/r0oL3cUSrb
Tja, was soll ich sagen. Nicht nur, dass du plötzlich scheinbar deutlich mehr Freiraum hast. Du hast auch noch nicht mal etwas anderes vor. Ich glaube ja nicht an Schicksal, aber… PUBLISH
PPS: Falls du den Beitrag gelesen hast und nicht Hanna Herbst bist, aber die Idee trotzdem überragend findest, hier ist mein Tweet dazu. Nur für den Fall, dass du deiner Aufregung Ausdruck verleihen möchtest…
Liebe #HannaHerbst! Eigentlich macht es überhaupt keinen Sinn, dass wir beide zusammen eine Podcast starten. Ich finde, wir sollten es trotzdem machen. #hartaberherbstlich @HHumorlos
— Gregor Ilg (@_gregorilg) 15. August 2018
https://t.co/hYGFURiaXz
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