New Work Bashing, das. Eine Form der Kritik an Menschen, die sich damit beschäftigen, die Arbeitswelt umzustrukturieren. Sehr beliebt bei Menschen, die sich damit beschäftigen die Arbeitswelt umzustrukturieren.
Ich habe heute den folgenden Tweet von Christian Müller entdeckt:
In letzter Zeit war ich mehrfach mit "einfachen" Arbeitern in Kontakt. Mitbestimmung, unternehmerisches Denken oder Kundenorientierung waren für sie keine Themen. Es ging eher ums Gehalt o fehlende Anerkennung. Da wurde mir bewusst, wie weltfremd wir oft über #NewWork debattieren
— Christian Müller (@cmueller80) 20. August 2018
Mein erster Reflex war: Oh ja. Mensch. Da hat er recht. Gut, das da mal jemand drauf hinweist. Aber kurz darauf dachte ich: Aber ganz ehrlich, irgendwer muss es doch tun.
Ich habe das in den letzten Monaten verstärkt wahrgenommen, dass sich Menschen, die teilweise das ganze New Work Thema mit aufgebaut haben (ob nun im originären Bergmannschen Sinn oder einfach als irgendwie geartete Reform der Arbeitswelt), sehr kritisch gegenüber der von ihnen mitgetragenen Bewegung äußern.
Der Kern der Kritik ist in der Regel ein Art schlechtes Gewissen gegenüber den Menschen, die aktuell noch mit der Old Work kämpfen und deswegen überhaupt gar keine Vorstellung geschweige denn irgendein Interesse an New Work Themen haben.
Und auch wenn Christian, es in seinem Tweet nicht explizit bewertet hat, so ist auch hier eine unterschwellige (Selbst-)Kritik zu spüren. In den Kommentaren wird das noch einmal deutlicher. Wir Berater machen uns die Arbeitswelt, wide-wide-wie sie und gefällt. Dem Arbeiter am Fließband helfen wir damit nicht.
Das ist als Beobachtung vielleicht nicht einmal verkehrt. Aber ich glaube die Message ist die Falsche. Es kann meines Erachtens nicht der Anspruch sein, mit den neuen Methoden der Arbeit auf einen Schlag die gesamte Arbeitswelt zu revolutionieren. Neue Arbeitsmethoden müssen getestet und ausgewertet werden. Und bestimmte Branchen eigenen sich dafür sicher besser als andere.
Und natürlich sind diejenigen privilegiert, die Rahmenbedingungen vorfinden, in denen solche Experimente möglich sind (aufgrund der Branche oder der Geschäftsführung oder der Unternehmensgröße). Jemand, für den Arbeit nicht mehr ist als eine Notwendigkeit um das eigene Leben zu finanzieren. Jemand, der an seinem Arbeitsplatz wenig Freiheiten und Mitbestimmung genießt. Jemand, der deshalb Arbeit und Privatleben hart voneinander trennt. Jemand in dieser Situation hat höchstwahrscheinlich keine Berührungspunkte mit New Work und wird auch in absehbarer Zukunft wahrscheinlich noch keine positiven Effekte von allen Anstrengungen in diese Richtung zu spüren bekommen.
Auf der anderen Seite waren viele große gesellschaftliche Umwälzungen erst einmal einer privilegierten Minderheit vorbehalten. Neben der Nutzung von Autos, Computern, Internet oder Smartphones übrigens auch die tayloristisch geprägte Erwerbstätigkeit in Zeiten der Industrialisierung. Ja, auch das war mal ein Fortschritt für eine privilegierte Minderheit (geregelte Arbeitszeiten, leistungsgerechte Bezahlung, Effizienzsteigerung).
Auf der anderen Seite finde ich es nichtsdestotrotz richtig und wichtig, regelmäßig darauf hinzuweisen, dass es dieses Privileg gibt und dass man die gewonnen Erkenntnisse mit anderen teilt, damit in Zukunft möglichst auch andere davon profitieren können. Vielleicht dann auch irgendwann der Arbeiter am Fließband, der sich aktuell erst einmal „nur“ mehr Gehalt und Anerkennung wünscht.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der #ImproBlog Challenge entstanden. Jeden Tag nehme ich mir einen Tweet vor und kommentiere diesen innerhalb von 10-15 Minuten (ja liebe #10minBlog Mitstreiter, ich brauche doch immer einen Moment länger habe ich gemerkt, aber im Herzen bin ich bei euch.) Wenn euch, liebe Leser, das Format gefällt: eine Liste mit allen anderen #10minBlog Twitteraccounts findet ihr hier.
Im letzten #ImproBlog habe ich mich damit beschäftigt, wer eigentlich dafür verantwortlich sein sollte, das Konsumverhalten der Menschen zu ändern.
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Pingback: Working Out Loud ist mehr als nur ein Hashtag - #ImproBlog - Future Proof World
Fehlende Anerkennung (subjektive wahrgenommene) ist eine der Triebfedern der Wutbürger. Populisten, die ihnen diese vorspielen, können sie leicht für ihre Zwecke einspannen.
Aber dieser Punkt gehört hauptsächlich auf die To-Do-Liste der demokratischen Parteien.
P.s.: Danke für den Blog, enthält ja Nachdenk-Stoff für viele Monate
Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass Wertschätzung in der Welt des „Homo Economicus“ massiv unterschätzt wird. Da muss m.E. wieder deutlich mehr Gewicht drauf gelegt werden. Einen kleinen Beitrag versuchen wir gerade mit mutland.org zu leisten. Daher hier bei fpw gerade ein bisschen seltener neuer Content.
Aber so lange noch Food for Thought da ist, brauche ich mir ja dann keine Sorgen machen 😉